Ist Südtirol KI-ready?
von
Hannes Lösch
11.03.2025

Die Chancen und Risiken von künstlicher Intelligenz für Mittelstandsunternehmen. Tipps und Tricks für die reibungslose Umsetzung.
Künstliche Intelligenz (KI) ist in aller Munde. Kein Tag vergeht aktuell, wo wir nicht von KI lesen.
Große Unternehmen haben bereits begonnen, KI in verschiedenen Bereichen einzusetzen, von der Fertigung über den Vertrieb bis hin zum Kundenservice. Nicht nur die Tech-Giganten wie Facebook oder Amazon haben massiv in diesen Bereich investiert. So hat Facebook z.B. bereits im Jahre 2013 das Facebook AI Research Lab ins Leben gerufen. Ein Beispiel aus der Industrie wäre Siemens mit seinem “Siemens AI Lab”, welches 2017 gegründet wurde.
Wir als Mittelständler müssen uns somit schleunigst mit dem Thema auseinandersetzen.
Was ist Künstliche Intelligenz (KI)?
Künstliche Intelligenz (KI) bezeichnet die Fähigkeit von Computern und Systemen, Aufgaben auszuführen, die normalerweise menschliche Intelligenz erfordern. Diese Technologie nutzt Algorithmen und Datenanalyse, um Muster zu erkennen, Prognosen zu treffen und Probleme zu lösen. Beispiele für KI in der Praxis sind Chatbots, die Kundenanfragen bearbeiten, oder maschinelles Lernen zur Vorhersage von Verkaufstrends.
Anhang dieser Beispiele zeigen wir die Unterschiede auf in Bezug auf die Umsetzung.
Umsetzung Praxisbeispiel 1: KI-Chatbot
Wenn ein eigener KI-basierter Chatbot im Unternehmen etabliert werden sollte, wäre folgendes notwendig:
1) Sammeln der eingegebenen Anfragen von Kunden mittels eines Web-Widgets in einer Datenbank.
2) Etablierung einer Schnittstelle mit einem der bekannten Anbieter, z.B. CHAT-GPT oder Betreiben eines eigenen Large Language Model (LLM). An diesen Service wird die Anfrage weitergegeben.
3) Trainieren des Modells (eigenes oder Drittanbieter) mit den gewünschten Antworten.
Zusammengefasst:
Die technische Herausforderung ist in diesem Anwendungsfall bescheiden. Es besteht keine Notwendigkeit von historischen Daten, um die Aufgabe zu bewältigen.
Umsetzung Praxisbeispiel 2: Vorhersage von Verkaufstrends
Wenn ich hingegen Verkaufstrends im Unternehmen vorhersagen möchte, ist die Sache komplexer:
1) Sammeln der historischen Verkaufsdaten auf Artikelebene. Einbezug von Lager und Retouren.
2) Sammeln verschiedener Dimensionen von Daten, welche den Verkauf in der jeweiligen Branche beeinflussen, z.B. Wetter- und Wettervorhersagen, Wochentage, Feiertage, Touristenströme, Passanten-Daten im stationären Handel und weiteren.
3) Aufbereiten dieser Daten durch einen so genannten “Datenwissenschaftler”, so dass diese in Modellen des Maschinellen Lernens verwendet werden können.
4) Auswahl des geeigneten Modells – hier muss entweder auf einen Testdatensatz zugegriffen werden und getestet werden, welches Modell für den konkreten Anwendungsfall die besten Ergebnisse bringt oder Rückgriff auf ein Experten-Unternehmen, welche hier bereits Erfahrung hat und somit Modelle bereits eng eingrenzen kann.
5) Trainieren des ausgewählten Modells mit den Daten
6) Testen des berechneten Modells. Hier wird normalerweise eine Vorhersage mit einem Teil der historischen Daten gemacht (30% der historischen Daten werden in das Modell eingespielt und damit sollen die nicht eingespielten 70% der historischen Daten vorhergesagt werden). Damit wird das Modell kalibriert.
7) Wiederholen dieser Schritte, bis wir eine Vorhersagegenauigkeit von mindestens 80% vorweisen können. Das Modell kann sich dann verbessern, indem in der Zukunft mehr Daten in das Modell eingespielt werden oder neue Parameter entdeckt werden, welche das Modell positiv beeinflussen.
8) Das Modell und die dazugehörige Dateninfrastruktur sollte natürlich mit dem restlichen IT-System zusammenführt werden, so dass die Daten in das vorhandene ERP-System und Berichtswesen integriert werden – in beide Richtungen (neue Daten füttern das Modell und Ergebnisse werden rückgespielt).
Zusammengefasst:
Die technische Herausforderung ist hier deutlich höher und mehr Expertenwissen ist notwendig, um ein solches Projekt gut umzusetzen.

Welche Voraussetzungen in Unternehmen sind notwendig für KI? Tipps und Tricks zur Umsetzung von KI in Ihrem Unternehmen.
Für den erfolgreichen Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) in Unternehmen sind bestimmte Voraussetzungen entscheidend. Sie können die folgende Auflistung für die Umsetzung von KI in Ihrem Unternehmen nutzen:
1) Zunächst benötigen Unternehmen einen klaren strategischen Plan, der die Ziele und den Mehrwert definiert, den KI liefern soll.
2) Darüber hinaus ist eine solide Dateninfrastruktur unerlässlich, um qualitativ hochwertige Daten für das Training von KI-Modellen zu gewährleisten. KI basiert auf Daten. Stellen Sie sicher, dass Sie über qualitativ hochwertige Daten verfügen, die für die Schulung und den Betrieb von KI-Modellen verwendet werden können. Investieren Sie bei Bedarf in die Datenerfassung, -speicherung und -bereinigung.
3) Überprüfen Sie die vorhandenen Fähigkeiten und Ressourcen in Ihrem Unternehmen, um festzustellen, ob Sie über das erforderliche Fachwissen in den Bereichen Datenwissenschaft, maschinelles Lernen und Softwareentwicklung verfügen. Sie können auch externe Experten einbinden.
4) Überprüfen Sie Ihre IT-Infrastruktur, um sicherzustellen, dass sie den Anforderungen von KI-Anwendungen gerecht wird. Möglicherweise benötigen Sie leistungsfähigere Rechenkapazitäten oder Cloud-Dienste, um KI-Modelle zu trainieren und bereitzustellen.
5) Implementieren Sie Pilotprojekte, um den Einsatz von KI in kleinerem Maßstab zu testen und zu validieren. Dies hilft, Erfahrungen zu sammeln, mögliche Herausforderungen zu identifizieren und Erfolge zu dokumentieren. Hier ist es ratsam in jenen Bereichen zu beginnen, wo große Hebel vermutet werden. Im Normalfall raten wir produzierenden Betrieben mit dem Einkauf oder der Produktion zu beginnen.
6) Stellen Sie sicher, dass der Einsatz von KI den rechtlichen und ethischen Anforderungen entspricht, insbesondere im Hinblick auf Datenschutz und Sicherheit.
7) Veränderungen durch die Einführung von KI können Mitarbeiter betreffen. Stellen Sie sicher, dass entsprechende Schulungen angeboten werden und kommunizieren Sie den Mehrwert von KI transparent, um Akzeptanz und Zusammenarbeit zu fördern. Die KI wird keine Mitarbeiter “ersetzen” sondern Mitarbeiter für neue Aufgaben frei machen.
8) KI ist ein sich ständig weiterentwickelndes Gebiet. Planen Sie die fortlaufende Optimierung Ihrer KI-Modelle ein und evaluieren Sie regelmäßig, wie KI in anderen Bereichen oder Abteilungen skaliert werden kann.
9) Implementieren Sie Mechanismen zur Überwachung der Leistung und zum Sammeln von Feedback, um sicherzustellen, dass die KI-Anwendungen die gewünschten Ergebnisse liefern und auf Veränderungen oder Bedürfnisse im Unternehmen reagieren können.
Ist Südtirol somit KI-ready?
Um auf unsere eingangs genannte Frage zurückzukommen: Ist Südtirol KI-ready? Wenn wir ehrlich sind, wird es nur wenige Unternehmen geben, welche auf Anhieb die Dateninfrastruktur, die IT-Infrastruktur, die Talente und das KI-Fachwissen in sich vereinen. Das ist jedoch kein Beinbruch, denn an und in all diesen Bereichen kann und sollte wie oben dargestellt gearbeitet werden.
So kann und wird ein KI-Pilotprojekt ein wesentlicher Treiber im Unternehmen sein, um Ihre Prozesse und Dateninfrastruktur zu verbessern. Wenn Sie heute noch keine saubere Integration zwischen Lagerverwaltungssystem und ERP System haben, wird man zunächst daran arbeiten und diese Daten z.B. in einem Data Warehouse zusammenbringen.
Wenn Sie heute noch keine Maschinendaten erfassen, wird man zunächst damit beginnen, diese mit Sensoren auszustatten und die Daten zu erfassen, z.B. in einem so genannten Datensee (Data Lake). Dann geht für die Zukunft nichts mehr verloren.
Ich persönlich denke, dass wenige Unternehmen heute bereits eine ausreichend saubere Basis haben, um sofort mit KI beginnen zu können. Aber die Aufwände, um eine gute Grundlage zu schaffen, sind nicht astronomisch und so können schnell große Meilensteine erreicht werden. Ich warne nur davor, dass wir zu optimistisch auf das Thema blicken, und meinen KI sei der heilige Gral und löse alle Probleme.
KI ist andererseits aber auch keine “Raketenwissenschaft” und jeder Betrieb kann von KI profitieren, wenn die Tipps und Tricks von oben berücksichtigt werden.