IT-Outsourcing nach Asien

von

Chance, Risiko und unser Weg als Südtiroler Unternehmen

In einer globalisierten Wirtschaft sind qualifizierte IT-Fachkräfte längst zu einem knappen Gut geworden – insbesondere in Europa.

Während Südtirol mit strukturellen Herausforderungen wie einem begrenzten Fachkräftepool zu kämpfen hat, boomt in Asien die Tech-Szene. Immer mehr Südtiroler Unternehmen setzen deshalb auf Outsourcing – mit gemischten Erfahrungen. Auch wir bei Limendo haben uns intensiv mit dieser Thematik beschäftigt und uns bewusst für einen anderen Weg entschieden.

Der globale Wettlauf um IT-Kompetenz

Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: Während Indien jährlich rund 350.000 Absolventen im Ingenieursbereich hervorbringt, sind es in Deutschland etwa 20.000. In Südtirol dürften es kaum mehr als 100 sein. Angesichts dieser Diskrepanz ist es nachvollziehbar, dass lokale Unternehmen auf der Suche nach Entwicklungspartnern über Landesgrenzen hinwegsehen. Wer in der IT-Branche bestehen will, muss sich Talente sichern – sei es über Partnerschaften oder eigene Standorte im Ausland.

Outsourcing-Hotspots: Ein Überblick

Der globale Outsourcing-Markt ist differenziert und bietet für verschiedene Anforderungen spezialisierte Regionen:

· Indien: Als „Outsourcing Capital of the World“ bekannt, punktet das Land mit einer enormen Zahl an hochqualifizierten Entwicklern.

· Philippinen: Hotspot für BPO (Business Process Outsourcing), Callcenter und wissensbasierte Dienstleistungen entwickelt.

· Südostasien: Länder wie Malaysia, Vietnam oder Thailand etablieren sich zunehmend als attraktive Outsourcing-Ziele.

· Osteuropa: Länder wie Polen, Ukraine und Rumänien haben sich zu ernstzunehmenden IT-Dienstleistern entwickelt.

Die Schattenseite des Outsourcings

Trotz der Vorteile bringt Outsourcing erhebliche Risiken mit sich – insbesondere für kleinere Unternehmen ohne tiefere Marktkenntnis. Angebote mit Stundensätzen von 10 bis 25 USD pro Entwickler wirken auf den ersten Blick verlockend, doch dahinter verbergen sich oft strukturelle Probleme:

· Qualitätsmängel im Code: Günstige Entwicklerstunden bedeuten nicht automatisch gute Software. Mangelnde Dokumentation, unstrukturierter Code oder fehlende Tests sind häufige Probleme.

· Eigentumsrechte und Transparenz: Wer besitzt den entwickelten Code wirklich? Wer hat Zugriff auf die Daten? Diese Fragen bleiben oft ungeklärt.

· Abhängigkeit von Einzelpersonen oder Agenturen: Viele Projekte scheitern, weil Freelancer ausfallen oder kleine Agenturen plötzlich verschwinden – gerade in politisch oder wirtschaftlich instabilen Regionen.

· Managementrisiken: Besonders kritisch ist die Situation, wenn lokale Manager ohne echtes unternehmerisches Interesse agieren. Fehlender Einsatz, finanzielle Intransparenz oder sogar Zweckentfremdung von Mitteln sind keine Seltenheit.

Unsere klare Empfehlung: Wenn Outsourcing, dann nur mit intensiver Prüfung, am besten mit etablierten Partnern und möglichst klarer Eigentümerstruktur – nicht mit Ein-Personen-Unternehmen oder unstrukturierten Freelancern.

Ein 10-Punkte Plan für das Outsourcing

Der folgende 10-Punkte Plan hilft dabei das eigene Outsourcingvorhaben voranzubringen:

1. Outsourcing Bedarf klären inklusive Kompetenzen und Resourcenverfügbarkeit im Unternehmen

2. Kriterien für die Auswahl festlegen: Technologie-Stack, Erfahrung im relevanten Bereich, Unternehmensgröße, Referenzen, Englischkenntnisse, Zeitzone.  

3. Region und Anbieter definieren: Land/Region wählen (z. B. Indien, Osteuropa, Südostasien)

4. Angebote einholen und verifizieren: Mindestens 3 Anbieter vergleichen,  Codebeispiele oder Testaufträge verlangen, Nachweis über tatsächliche Teamgröße, Organisationsstruktur und Projektmanagement-Standards.

5. Vertraglich absichern: NDA (Geheimhaltungsvereinbarung), Vertrag zu Code-Eigentum, Support, SLA (Service Level Agreements), Exit-Strategie.

6. Technisches Onboarding und Integration: Technische Standards definieren (Code Reviews, CI/CD, Testing, Git), Kommunikationstools (Slack, Jira, Teams) einführen. Entscheidend: Code zentral in Europa vorhalten.

7. Pilotprojekt starten: Mit einem kleinen, klar abgegrenzten Projekt starten

8. Laufende Qualitätskontrolle: Regelmäßige Code Reviews durch eigene Entwickler. Feedback-Schleifen und Performance-Messung

9. Pilotprojekt bewerten: Projekt überprüfen und Entscheidung treffen, ob mit folgendem Partner weiter gearbeitet werden kann.

10. Ausbauen oder Verwerfen: Zurück zu Schritt 3, oder intensivieren.

Praxisbeispiel Limendo: Aufbau statt Auslagerung

Als IT-Unternehmen mit Wurzeln in Südtirol, aber einem klaren internationalen Anspruch, haben wir bei Limendo eine bewusste Entscheidung getroffen: Statt Leistungen auszulagern, haben wir Schritt für Schritt unser eigenes Team in Indien aufgebaut. Heute zählen wir über 40 Mitarbeitende an zwei Standorten in Bangalore und Ahmedabad.

Der Unterschied: Unsere indische Tochterfirma ist nicht nur ein externer Dienstleister – sie ist Teil unseres Unternehmens. Unser Geschäftsführer vor Ort ist gleichzeitig Miteigentümer der Limendo India Private Limited. Das sichert nicht nur Kontinuität, sondern stellt sicher, dass unsere Werte, Prozesse und Qualitätsansprüche auch im Ausland gelebt werden.

Mehrmals jährlich reisen Mitglieder der Geschäftsführung nach Indien – und indische Teammitglieder besuchen regelmäßig Südtirol. Diese persönliche Verbindung schafft ein starkes „Wir-Gefühl“ über Kontinente hinweg. Nur durch solche kulturellen Brücken entsteht echte Zusammenarbeit auf Augenhöhe.

Fazit

Outsourcing kann ein gangbarer Weg sein – aber nur mit viel Erfahrung, klaren Strukturen und belastbaren Partnern. Wer kurzfristig sparen will, riskiert oft langfristige Schäden. Unser Weg bei Limendo zeigt, dass nachhaltiger Erfolg im IT-Bereich auch mit einer organisch gewachsenen, internationalen Organisation möglich ist. Der Schlüssel liegt im Aufbau eigener Kompetenzzentren – mit Verantwortlichen, die am Unternehmenserfolg beteiligt sind.